Indie Magazine

Foozie Foroudnia, Modedesignerin

Streetstyles aus Teheran sind—spätestens seit dem Erfolg des Blogs The Tehran Times—ein Phänomen, das durch die sozialen Medien geht und bei Betrachtung klar macht: Vieles von dem, was im Westen über den Iran gedacht wird, gehört einer neuerlichen Überprüfung unterzogen. Die coolen Kids auf den Straßen der iranischen Hauptstadt zeigen, dass sie sich trotz der Einschränkungen durch die strengen Sittenwächter immer wieder kleine Freiheiten zurückerobern. Im Westen gibt es heute kaum noch die Möglichkeit, mit Mode zu schockieren. Im Iran hingegen wird das Hochrollen eines Ärmels, das Tragen einer Krawatte oder das Kürzen eines Mantels zum Akt der Rebellion.

Immer mehr internationale Magazine zeigen, angefeuert durch die sozialen Medien, derzeit Interesse am Leben junger, stylischer Iraner, erzählt der Fotograf Alia am Beginn unseres Skype-Gesprächs, das ein gemeinsamer Bekannter aus Berlin übersetzt. Deshalb hat er begonnen, in seiner dokumentarischen Strecke Shades Freunde und Bekannte zu Hause und auf der Straße zu fotografieren und die Unterschiede zwischen dem Innen und dem Außen zu zeigen. „Über die Situation im Iran wird viel gesprochen und ich bin nicht der Meinung, dass man, was schon zu oft über uns gesagt wurde, noch wiedergeben muss. Wir sind es alle leid, als Opfer eines Systems dargestellt zu werden. Wir wollen unsere Arbeit zeigen und dafür gesehen werden."

Reza Nadimi, Designer

Um der iranischen Mode ein Gesicht verleihen, bat Alia sechs Kreative, sich von ihm porträtieren zu lassen. Auf den Fotografien zu sehen sind fünf modische Frauen und ein Mann in ihren privaten Lebensräumen: Ihren Wohnungen und Studios. Yasmineh, Azalea, Reza, Hadis, Rojan und Foozi haben sich von ihm ablichten lassen, jeweils einmal auf der Straße und einmal in ihren eigenen Vierwänden. Die Kleidung, die sie tragen, ist teils von ihnen selbst designt, teils Vintage—aktuell ein großer Trend im Iran—und teils in einem der wenigen internationalen Shops gekauft. Im Iran wird noch viel selbst genäht, erzählt Alia, zum Teil kommt auch Mode aus der Türkei über die Grenze. Mittlerweile gebe es aber auch ein paar High Fashion Labels wie Roberto Cavalli, Dolce & Gabbana oder Versace, die mit offiziellen Niederlassungen in Teheran vertreten seien.

„Ich habe die Motive so ausgewählt, dass man die verschiedenen Leben der Leute sieht. Eines findet drinnen statt und eines draußen. Beide dürfen nicht miteinander übereinstimmen. Es ist staatlich verordnete Schizophrenie", erklärt er.

Azalea Nazemi, Schuhdesignerin

Auf der jeweils linken Seite der Strecke—der Herzseite—zeigt er seine Freunde und Kollegen an Orten, an denen sich die Künstler am inspiriertesten fühlen. Er fragte die Designer: „In welchem Raum entwickelst du deine besten Ideen?" Die so entstandenen Bilder zeigen Schmuck-, Schuh und Modemacher in ihrer eigenen, sicheren Welt. Die Orte unterscheiden sich nicht von einer Wohnung oder einem Studio in, sagen wir, Berlin oder London. Doch sobald diese Blase verlassen werden muss, sieht es anders aus: „Um gewisse Dinge erledigt zu bekommen, und überhaupt in der Lage zu sein, arbeiten zu gehen, müssen die Frauen und auch die Männer mit den Sittengesetzen konform gehen. Das ist der hohe Preis, den vor allem die Frauen hier bezahlen, um am täglichen Leben teilzunehmen. Wenn Sie ohne Kopftuch nicht nach draußen dürfen, ist die Alternative drinnen bleiben. Aber wer will schon drinnen bleiben?"

Yasmineh Kafai, Schmuckdesignerin

Deshalb musste er bei der Arbeit an der Strecke besonders darauf achten, dass die Frauen, wenn er sie draußen fotografierte, keinen Ärger mit der Sittenpolizei bekamen, weil sie keinen Hijab trugen. „Mir ist klar, dass die Frauen stets mehr unter dem unterdrückenden Regime zu leiden haben. Sie entwickeln daher zwei unterschiedliche Persönlichkeiten: Eine für den privaten und eine für den öffentlichen Raum. Die, die sie nach draußen tragen, ist ein Mittel zum Zweck."

Für seine Aufnahmen draußen wählte er eine schwere Holztür als Hintergrund. Einmal, weil prunkvolle Türen im kollektiven Bildgedächtnis der Welt für den Orient stehen, aber auch, weil Türen eine weitere starke Symbolwirkung haben. Sie markieren einen Schwebezustand zwischen privat und öffentlich, eine Schwelle im Nirgendwo. Daher rührt auch der Titel der Strecke Shades. Durch diesen Ort, der zwar in der Öffentlichkeit liegt, aber dennoch eine gewisse Intimität und Privatsphäre bietet, konnte er eine Situation schaffen, in der die Frauen ihre öffentliche Persona zeigen konnten.

Hadis Aslan Parviz, Designerin

Die Tür symbolisiert darüber hinaus auch die Öffnung beziehungsweise Abschottung des Landes gegenüber dem Westen und dem Rest der Welt. Phasenweise gebe es unter den Iranern Aufbruchsstimmung und die Hoffnung, dass sich die Tür weiter öffnet. Es fühle sich dann an, als wäre mehr erlaubt und alle nehmen sich etwas mehr heraus. Dann wieder greift die Sittenpolizei strenger durch. „Man weiß nie genau, wie es weitergeht", sagt Alia.